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„Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt“: Buchvorstellung & Expertengespräch

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Der Nahe Osten wird häufig nur als Krisen- und Konfliktregion wahrgenommen. Die Region steht zudem vor großen politischen, gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Herausforderungen und ist stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Der Sammelband „Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt – Entwicklungslinien, Gegensätze, Herausforderungen“ geht über die alltäglichen Schlagzeilen hinaus und analysiert tiefgreifend vernachlässigte und langfristige Entwicklungslinien. Die Beiträge beleuchten transnationale Dynamiken und Herausforderungen ebenso wie die Einflüsse externer Akteure etwa der USA, der EU, der Vereinten Nationen sowie Russlands und Chinas.
Anlässlich der Veröffentlichung dieses Sammelbands organisierte die DAFG – Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft e.V. am 14. Januar 2025 eine Buchvorstellung & Expertengespräch in Zusammenarbeit mit Middle East Minds.    

Nach der Begrüßung durch DAFG-Geschäftsführer Björn Hinrichs, moderierte Stefan Lukas, Mitherausgeber des Buches und CEO von Middle East Minds, das Gespräch mit den Mitautoren des Sammelbandes und Experten:
•    Dr. Sebastian Sons, Senior Researcher am Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO), der die Rolle der Golfstaaten analysierte.
•    Dr. Christian Rieck, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam, der den Einfluss der USA und Europas in der Region thematisierte.
Die Diskussion wurde durch die Fragen und Anregungen des Publikums bereichert.

Die Rolle der Golfstaaten: Perspektiven und Prioritäten   


Dr. Sebastian Sons beleuchtete die Position und Prioritäten der Golfstaaten in einer Region, die durch Krisen und Instabilität geprägt ist. Trotz dieser Herausforderungen blicke man am Golf optimistisch in die Zukunft, da die multipolare Weltordnung dort als Chance gesehen werde. Diese Haltung spiegele sich in den Entwicklungsvisionen der Golfmonarchien wider, die sich an drei zentrale Säulen orientierten:

1.    Bewahrung nationaler Legitimität und Stabilität
Eine neue Form des Gesellschaftsvertrags sichere die Legitimität der Herrscher, indem er Stabilität und Vertrauen garantiert. Während früher vor allem religiöse Gelehrte und wohlhabende Familien von dieser Ordnung profitiert hätten, liege der Fokus nun auf in überwiegender Mehrheit jungen Bevölkerung. Ziel sei es, Jobs und damit Zukunftsperspektiven zu schaffen.

2.    Förderung regionaler Stabilität
Die Golfstaaten verfolgten einen pragmatischen Ansatz im Umgang mit Krisen, um Eskalationen zu vermeiden, die ihre Entwicklungsvisionen gefährden könnten. Ein Beispiel hierfür sei die diplomatische Annäherung Saudi-Arabiens an den Iran, die 2023 mit Chinas Vermittlung zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen führte.

3.    Transformation des Wirtschaftsmodells
Ziel der Golfmonarchien sei es, die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren und neue Wirtschaftssektoren wie erneuerbare Energien, moderne Technologien und Tourismus zu fördern. Dennoch bliebe das Erdölgeschäft zentral, wie etwa die Doppelstrategie der Vereinigten Arabischen Emirate zeige, die sowohl in fossile Energien als auch in den Klimaschutz investierten. Auch durch Gigaprojekte wie NEOM sowie die Ausrichtung von Weltmeisterschaften und anderen (sportlichen) Großereignissen bemühten sich die Golfstaaten, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und internationale Investoren zu gewinnen. 
  
Diese pragmatische Außenpolitik ermögliche es ihnen, Beziehungen zu einer Vielzahl externer Akteure wie den USA, China, Russland und Indien zu pflegen. Eine solche Flexibilität sei entscheidend, um ihre Unabhängigkeit zu wahren und ihre strategischen Ziele zu verfolgen.

Die Wahrnehmung regionaler Krisen am Golf

Die Palästina-Frage   

Der 7. Oktober 2023 sei ein Wendepunkt für die Golfstaaten gewesen. Seitdem befanden sich Länder wie die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, die Normalisierungsabkommen mit Israel geschlossen haben, in einem Dilemma. Einerseits möchten sie ihre politischen Beziehungen zu Israel aufrechterhalten, anderseits stünden sie unter dem Druck ihrer Bevölkerung, die Solidarität mit Palästina auszudrücken. Die VAE versuchten, dieses Spannungsfeld zu überbrücken, indem sie sich als neutraler Vermittler positionierten. So präsentierten sie die Abraham-Abkommen als ein wichtiges Instrument, um notwendige humanitäre Hilfe für Gaza bereitzustellen.   

Für Saudi-Arabien sei die Situation anders. Das Königreich habe noch kein Normalisierungsabkommen mit Israel unterzeichnet, obwohl es nicht ausgeschlossen sei, dass ein solches in der Zukunft zustande kommen könnte. Seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs jedoch habe sich der politische Preis dafür Saudi deutlich erhöht. In seinen öffentlichen Reden habe auch Kronprinz Mohammed bin Salman in den letzten Monaten mehrfach von Genozid gesprochen und betont, dass es nicht nur um Sicherheitsgarantien gehe, sondern vor allem auch um die Schaffung von Voraussetzungen für eine Zwei-Staaten-Lösung. Dieser Ansatz sei zentraler Bestandteil der saudischen Entwicklungsvision 2030, die darauf abziele, langfristige  regionale Stabilität zu fördern.
Katar verfolge hingegen eine ganz andere Strategie, die sich durch seine engen Beziehungen zur Hamas und zum Auftritt als direkter Vermittler für Waffenruhen zeige, was die unterschiedlichen Ansätze der Golfstaaten in Bezug auf die Palästina-Frage deutlich mache.

Syrien nach dem Sturz Assads
Auch die Wahrnehmung der Situation in Syrien variiere zwischen den Golfmonarchien. Für die VAE gestalte sich der Umgang mit dem neuen syrischen Regime schwierig, da sie zuvor enge wirtschaftliche Beziehungen zum Assad-Regime unterhielten. Katar dagegen habe stets eine distanzierte Haltung zu Assad eingenommen. Saudi-Arabien stehe zwischen den beiden und könne vielleicht die Rolle des Mediators übernehmen.    

Aber allen Golfstaaten gemeinsam bliebe die Anerkennung des Potenzials einer stabilen syrischen Zukunft, da die Sicherheit Syriens für ihre eigenen Interessen von entscheidender Bedeutung sei. Die Stabilität des Landes sei jedoch durch verschiedene externe Faktoren bedroht, insbesondere durch die territorialen Ambitionen Israels und die militärische Präsenz der Türkei, was bei den Golfstaaten Besorgnis errege. Eine instabile syrische Regierung bringe nicht nur sicherheitspolitische Risiken, sondern könnte auch die wirtschaftlichen Perspektiven der Golfstaaten beeinträchtigen, da Syrien für sie als strategischer Markt zähle.

Dr. Christian Rieck erklärte, dass die Europäische Union eine unterstützende Rolle bei der künftigen Entwicklung des Landes spielen könnte, indem sie Investitionsgarantien bereitstelle und der Regierung durch Anerkennung internationale Legitimation verleihe.

Die Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien und die iranische Nuklearstrategie

Ein Teilnehmer aus dem Publikum brachte die Thematik der Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zur Sprache. Dr. Rieck erklärte, dass wir das Ende der „Proxy Deterrence Capacity“ des Iran erlebten, was bedeute, dass der Iran aufgrund seiner Schwächung weniger in der Lage sei, seine revolutionären Bestrebungen fortzusetzen, was zu einer möglichen Kooperation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran führen könne.   

Dr. Sons ergänzte, dass es immer eine asymmetrische Machtbeziehung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gegeben habe, was sich auch durch den Angriff der Huthi-Rebellen 2019 auf eine saudische Ölraffinerie zeigte. Angesichts der wachsenden Zurückhaltung Washingtons habe Saudi-Arabien begonnen, eine strategische Autonomie zu entwickeln, und eine zunehmende Annäherung an den Iran sei zu erwarten.
Zur iranischen Nuklearstrategie erläuterte Dr. Rieck, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der Iran nukleare Waffen entwickeln werde. Der Westen könne nur die „breakout capability“ des Iran hinauszögern. Sollte dem Iran jedoch eine Garantie für seine territoriale Integrität gegeben werden, könnte dieser auf militärische Nuklearwaffen verzichten und stattdessen ein reines ziviles Programm entwickeln.

Für die Region sei es entscheidend, Vertrauen aufzubauen. Solange alle Akteure sich bedroht fühlten, strebten sie nach Nuklearwaffen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Daher sei eine „offshore balancer“-Macht erforderlich, die Konflikte aus der Ferne moderiert, um das Risiko der Nuklearproliferation zu verringern.   

Die Vereinigten Staaten im Nahen Osten: Rolle und Perspektiven

Dr. Christian Rieck beleuchtete die Frage, ob sich Washington künftig aus dem Nahen Osten zurückziehen oder ihre Rolle in der Region verändern würde.

Über viele Jahre hinweg seien die Vereinigten Staaten tief in die inneren Angelegenheiten des Nahen Ostens verstrickt und nähmen die Rolle des „offshore balancer“ ein. In den 1960er Jahren, als die Vereinigten Staaten ihre Präsenz in der Region zunehmend ausgebaut hätten, hätten sie eine Zwei-Säulen-Politik entwickelt, die zunächst auf die Delegation der Sicherheitsverantwortung an Saudi-Arabien und den Iran abzielte, bevor diese Verantwortung nach der Islamischen Revolution von 1979 ausschließlich auf Saudi-Arabien übergegangen sei. Doch seitdem müssten sie verstärkt mit eigenen Truppen in der Region tätig werden, um ihre Interessen zu schützen.

In jüngster Zeit zeichne sich jedoch ein überparteilicher Konsens in Washington ab, das amerikanische Engagement in der Region zu reduzieren und sich stattdessen auf die sich verstärkende Rivalität mit China sowie auf andere Herausforderungen wie den Klimawandel und die russische Invasion der Ukraine zu konzentrieren.

Die Treibsand-Theorie (quicksand theory of Middle East engagement) erkläre, warum die Vereinigten Staaten trotz ihres Rückzugsversuchs weiterhin in die Region involviert bleiben müssten. Die anhaltende Instabilität, ungelöste Konflikte und das Fehlen wirksamer Mechanismen zur Konfliktbeilegung machten den Bedarf an einer externen Macht – einem ‚offshore balancer‘ wie den USA – immer wieder deutlich. Ein vollständiger Rückzug würde Unsicherheit und Misstrauen in der Region verstärken und das fragile Machtgleichgewicht bedrohen, indem lokale Akteure versuchen könnten, ihren eigenen Einfluss auszubauen. Daher bliebe Washington trotz seines Wunsches, sich zurückzuziehen, weiterhin involviert, um die Stabilität zu sichern und Konflikte zu verhindern.

In diesem Sinn könnten die Abraham-Abkommen der Golfstaaten als eine Art Versicherung gegen den US-Rückzug verstanden werden: Sie zielten darauf ab, das Interesse der Vereinigten Staaten an der Region zu erhalten. Außerdem sei mit dem Krieg in Gaza erneut deutlich geworden, wie schwierig es für Washington sei, sich sicherheitspolitisch von Krisen in der Region zu entkoppeln, während lokale Akteure ihre eigenen geopolitischen Interessen vorantrieben.

Darüber hinaus nähmen die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den USA und entscheidenden Partner wie den Golfstaaten ab, insbesondere aufgrund des wachsenden Handels mit China und der abnehmenden Bedeutung des Erdöls. Weniger wirtschaftliche Verflechtung bedeute, dass es schwieriger werde für die USA noch Einfluss in der Region zu nehmen.

Mit Blick auf die Zukunft erklärte Dr. Rieck, dass die US-Außenpolitik im Nahen Osten unter der Trump-Administration zunehmend unsicher und ohne klare Strategie oder langfristige Ziele werden könne. Dies könnte die Beziehungen zu den Golfstaaten belasten, da politische Führung und Verlässlichkeit fehlten. So würden die Beziehungen immer mehr transaktional und verlören ihre ursprüngliche kooperative Ausrichtung. Die abnehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den USA und entscheidenden Partnern wie den Golfstaaten führten dazu, dass es für Washington noch schwieriger werde, Einfluss in der Region auszuüben.

Russland, China und Indien: Neue Akteure im Nahen Osten

Neben den traditionellen Akteuren gewännen auch Russland, China und Indien zunehmend an Bedeutung im Nahen Osten, wie Stefan Lukas erläuterte.

Russland verfolge immer mehr eine proaktive Außenpolitik in der Region, insbesondere seit seinem Engagement in Syrien, wo es sich mit dem Assad-Regime verbündet hatte. Nach dem Sturz des Regimes bliebe die künftige Präsenz Russlands im Land fraglich. Außerdem hätten die Russen seit 2015 den Golfstaaten verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt und deren Schlüsselrolle anerkannt. Die Zusammenarbeit umfasse unter anderem Waffenlieferungen, Kooperationen innerhalb der OPEC und gemeinsame Projekte in der Erdölproduktion. Russland zeige auch Interesse daran, den Nahen Osten als strategische Zwischenstation für den Zugang zu Afrika zu nutzen, was die Absicht unterstreiche, dauerhaft Einfluss in der Region zu hinterlassen.

Im Gegensatz zu Russland verfolge China einen primär wirtschaftlichen Ansatz. Durch die Belt and Road Initiative habe China zwischen 2013 und 2015 rund 200 Milliarden US-Dollar in den Nahen Osten investiert, insbesondere in Infrastrukturprojekte wie Kraftwerke, Atomenergie, erneuerbare Energien und den IT-Sektor. Zusätzlich sei China einer der größten Importeure von Erdöl aus der Golfregion. Während China weiterhin als wirtschaftlicher Akteur agiere, wachse zunehmend das geopolitische Gewicht des Landes, das immer mehr versuche, sich sicherheitspolitischer Akteur in der Region zu etablieren.

Auch Indien habe in den letzten Jahren seine Beziehungen zu den Golfstaaten intensiviert, beispielsweise durch den Aufbau des India-Middle East Corridors, der sowohl die Förderung von Infrastrukturprojekten als auch den Handel mit Öl umfasse. Diese Kooperation ermögliche es den Golfstaaten, ihre wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit von den USA und China zu erhöhen – ein Beweis für die pragmatische Außenpolitik der Region.

Deutschlands Rolle im Nahen Osten

Abschließend wurde die Rolle Deutschlands thematisiert. Dr. Sons betonte, dass Deutschland eine klare Strategie entwickeln müsse, um effektive Kooperationen mit regionalen Partnern zu etablieren und sich dabei auf seine Stärken zu fokussieren. Nur so könne Deutschlands Glaubwürdigkeit wiederhergestellt werden. Insbesondere die Anerkennung eines palästinensischen Staates könnte ein wichtiger Schritt sein, um dem Glaubwürdigkeitsverlust entgegenzuwirken.

Dr. Rieck wiederum hob hervor, dass es für Deutschland von zentraler Bedeutung sei, die besondere Beziehung zu Israel zu nutzen. Ein stärkerer Fokus auf die Transformation Israels zu einem kooperativen Partner in der Region könnte Deutschland helfen, seine strategischen Ziele im Nahen Osten besser zu erreichen.


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