„Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt“: Buchvorstellung & Expertengespräch
Der Nahe Osten wird häufig nur als Krisen- und Konfliktregion wahrgenommen. Die Region steht zudem vor großen
...Der Nahe Osten wird häufig nur als Krisen- und Konfliktregion wahrgenommen. Die Region steht zudem vor großen
...Warum die GCC-Staaten für uns wichtig sind und was sie gegen die Konflikte in ihrer Region immunisiert.
Von Rainer
Seit einem Jahr ist die DAFG – Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft e.V. in der Wallstraße 61 an der Fischerinsel
...Plötzlich und völlig unerwartet ist der ehemalige deutsche Diplomat Dieter Walter Haller auf einer Reise in das Land,
...Am 28. November 2024 begrüßten DAFG-Vizepräsident Houssam Maarouf und der Vorstand den neu akkreditierten jordanischen
...„Von der Revolte zur neuen Ordnung? Der Umbruch in Ägypten“ war der Titel einer Informationsveranstaltung, die die DAFG – Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft e.V. in Partnerschaft mit dem RuhrZirkel und der Mittwochsgesellschaft Ruhr unter Unterstützung der Messe Essen am 27. November 2013 in Essen durchführte.
Der Dozent Prof. Dr. Udo Steinbach ist einer der profiliertesten Nah- und Mittelost-Experten in Deutschland und leitete 30 Jahre als Direktor das Deutsche Orient-Institut in Hamburg. Zurzeit ist er Leiter des GOVERNANCE CENTER Middle East | North Africa an der HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance in Berlin.
Prof. Steinbach stellte die politischen Entwicklungen in Ägypten zunächst in den historischen Kontext. Er verwies auf eine jahrhundertelange Herrschaft des Osmanischen Reichs über Arabien und auch Ägypten. In dieser Zeit habe in diesen Staaten keine Weiterentwicklung stattgefunden. Er führte aus, dass die Hoffnungen der Araber auf Selbstbestimmung als Folge des Ersten Weltkrieges und der Befreiung von den Osmanen von den klassischen Kolonialmächten verraten worden seien, insbesondere auch durch die Briten in Ägypten. Diese hätten alsbald die Macht im Hintergrund als Strippenzieher übernommen und deshalb eine eigenständige Entwicklung des Landes unterbunden. Er ging kurz auf die Revolution des Nationalrevolutionärs Gamal Abdel Nasser ein, der den Einfluss der Briten trotz ihres kriegerischen Versuchs (Suezkrise) beendet hätte und sich als erster Politiker für einen Panarabismus eingesetzt habe. Nasser seien zwei weitere Militärherrscher, Sadat und Mubarak, gefolgt, bis schließlich die Bevölkerung ansetzte, sich von dieser militärisch/diktatorischen Bevormundung zu befreien. Prof. Steinbach beschrieb die erste Revolte, die eine kurze Herrschaft der Muslimbrüder hervorbrachte, erläuterte die Rolle der Muslimbrüder – auch wieder im historischen Kontext von der Gründung 1928 an und ihrer Verbannung durch die Militärregierungen in den Untergrund – und erläuterte das Scheitern dieser durch einen demokratischen Prozess an die Macht gekommenen Muslimbrüder. Fehler der Mursi-Regierung, fehlende Kompromissbereitschaft und fehlende Einbindung der säkularen Kräfte bei dem noch am Anfang stehenden politischen Prozess hätten eine starke Entfremdung zu den säkularen oder nicht explizit religiös eingestellten Bevölkerungsteilen in Ägypten bewirkt. Verschärft habe sich die Situation durch das Durchpeitschen von einer durch eine religiös dominierte verfassungsgebende Versammlung verabschiedeten neuen Verfassung, die den Willen größerer Bevölkerungsteile nicht repräsentierte. Hinzu sei noch die inkompetente Regierungsführung insbesondere im Wirtschaftssektor gekommen, die den Staat zusehends in eine wirtschaftliche Notlage gebracht habe. Durch die lange Zeit im Untergrund, Mursi sei ja selbst mehrfach im Gefängnis gewesen, habe zum einen die Möglichkeit Regierungshandeln zu lernen gefehlt, zum anderen aber auch die Bereitschaft der Muslimbrüder auf die bestehenden nicht religiösen Eliten zuzugehen und Kompromisse einzugehen. Schließlich habe sich Mursi noch mit einer Art Ermächtigungsgesetz über die Justiz und jegliche Kontrolle gestellt, was die Bevölkerung dann im besonderen Maße aufgebracht habe. Mursi habe zu diesem Zeitpunkt eine tiefe Spaltung der Gesellschaft bewirkt, die Muslimbrüder und andere Bevölkerungsteile, die nicht religiös regiert werden wollten, hätten sich unversöhnlich und zunehmend gewaltbereit gegenüber gestanden. Der Eingriff des Militärs sei dann ein Putsch gewesen. Das Militär habe sich auf die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise berufen können, dabei aber sicher auch eine eigene Agenda verfolgt. Prof. Steinbach wies in diesem Zusammenhang auf den langen und mühsamen Weg Deutschlands zu einer Demokratie hin. Es sei abzuwarten, inwieweit die wiederum neu ausgearbeitete Verfassung einer demokratischen Entwicklung dienlich sei, ob auf Basis dieser Verfassung dann tatsächlich freie Wahlen stattfinden könnten und eine zivile Regierungsbildung möglich sei und ob die Streitkräfte in die Kasernen zurückkehren würden. Ganz wichtig, so Prof. Steinbach, sei für diesen Prozess eine wirtschaftliche Gesundung. Zurzeit sei die Wirtschaft in einem katastrophalen Zustand. Auch Deutschland sei hier zur Unterstützung aufgerufen und sollte den Ägyptern behilflich sein. Die deutsche Außenpolitik solle sich durchaus stärker als bisher in die Transformationsprozesse einbringen. Prof. Steinbach wies darauf hin, dass die Veränderungen in den arabischen Gesellschaften bei Weitem noch nicht abgeschlossen seien, dass wir uns hier auf einen längeren Prozess einstellen müssten. Er sei aber zuversichtlich, dass gerade die demographisch jungen Bevölkerungen in Arabien weiterhin nach Demokratie und Teilnahme am politischen Prozess streben würden.
Bilder: RuhrZirkel
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Samstag, 25.01.2025
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