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Oasen des Friedens und des Wohlstands

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Warum die GCC-Staaten für uns wichtig sind und was sie gegen die Konflikte in ihrer Region immunisiert.

Von Rainer Hermann

Der Autor war bis März 2023 bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die arabische Welt und die Türkei zuständig. Künftig wird er für die DAFG – Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft e.V. in unregelmäßigen Abständen über die Golfstaaten und die arabische Welt schreiben.  

Drastischer kann ein Gegensatz kaum sein: Während Krieg und Gewalt weite Teile des Nahen Ostens überziehen, boomen auf der Arabischen Halbinsel die Golfmonarchien. Losgelöst von den Konflikten, die sie umgeben, vollziehen sie einen tiefgreifenden Wandel und festigen ihre Stellung in der Weltwirtschaft. Dabei brennt es in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Gefahren gehen von vier Konflikten aus.

Erstens, Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Angehörige des alten Regimes sammeln sich bereits für einen Aufstand, im Norden des Landes greift die Türkei die syrischen Kurden an, und in den Wüsten formiert sich wieder der Islamische Staat. Diese destabilisierenden Kräfte drohen auf den Irak überzugreifen ebenso wie auf den geschwächten Libanon. Ägypten und Jordanien fürchten, dass die Muslimbruderschaft über Syrien als politische Kraft zurückkehrt.

Zweitens, der ungelöste Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Israel lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung entschiedener denn je ab, mit Gewalt eignen sich die radikalen „Siedler“ weiteres Land der Palästinenser an. Die Justiz, die das verhindern könnte, soll entmachtet werden. In der arabischen Welt hat jedoch ein Stimmungsumschwung eingesetzt. Das Schicksal der Palästinenser lässt insbesondere die Jugend nicht mehr kalt, sie solidarisiert sich stärker als je zuvor mit ihnen.

Drittens, der Konflikt mit Iran, der ungeachtet der Rückschläge für die Islamische Republik andauert. Israels militärische Dominanz allein schafft keinen Frieden, und die große Koalition mit den USA und arabisch-sunnitischen Staaten, die Israel für eine regionale Sicherheitsarchitektur anstrebt, dürfte daran scheitern, dass Israel zu keinen Zugeständnissen an die Palästinenser bereit ist. Iran wiederum nimmt die Schwächung seiner „Achse des Widerstands“ nicht tatenlos hin. Die Islamische Republik forciert ihr Atomprogramm und unterläuft als destabilisierender Akteur, etwa in Syrien, die geringen Chancen auf Frieden und Wohlstand in der Konfliktregion. Vom Jemen aus greifen die Houthis, ihre Proxies, unvermindert Schiffe im Roten Meer und Israel an.

Viertens, in der Peripherie schwelen weitere Konflikte. Nirgendwo hat ein Krieg mehr Menschen zu Vertriebenen gemacht wie in Sudan, in Libyen geht der Kampf externer Akteure um die Zukunft des Landes in eine weitere Runde, und der Jemen steht vor einer Spaltung in zwei Staaten. 

Krieg in der Nachbarschaft, Wohlstand in den GCC-Staaten

Diese Risiken vermischen sich zu einem toxischen Gemisch anhaltender Instabilität. Für die Golfmonarchien bleiben diese Risiken überschaubar, sie wirken sich trotz der geographischen Nähe kaum aus. Ihre Volkswirtschaften wachsen weiter, die Staatsfonds treiben die Transformation für die Zeit nach dem Erdöl an, mit den Händen ist die Aufbruchstimmung in ihren Gesellschaften zu greifen. Trotz Krieg und Zerstörung in ihrer Nachbarschaft leben die Golfstaaten in Frieden und Wohlstand. Der ohnehin große Abstand zu ihren arabischen Nachbarn wächst weiter.

Die Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) sind das Gravitationszentrum der arabischen Welt. Saudi-Arabien, das politische und wirtschaftliche Schwergewicht, modernisiert sich in Siebenmeilenschritten und verwirklicht seine „Vision 2030“, die ebenso ehrgeizigen Vereinigten Arabischen Emirate schicken Raumfahrtmissionen zum Mars, Qatar ist der wichtigste Gaslieferant der Weltwirtschaft, Oman investiert massiv in die Produktion von grünem Wasserstoff. Potentielle Partner sind auch Kuwait, dessen Staatsfonds KIA der älteste seiner Art ist, und Bahrain, das sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert hat.

Vor allem die ersten vier Staaten setzen auf die Kernbranchen Energie und Logistik, auf die Förderung von Technologien und Start-ups, aber auch auf den Tourismus und zunehmend auf Kultur. Der wirtschaftlicher Erfolg verschafft den Golfstaaten Stabilität; Investitionen in gute Bildung und Künstliche Intelligenz legen die Basis für produktive Arbeitsplätze.

Die Golfmonarchien sind keine Demokratien, sondern autoritär verfasste Staaten. Über die wirtschaftlichen Chancen und eine informelle Mitsprache lassen sie jedoch mehr Partizipation als die Republiken zu, in denen formell Wahlen abgehalten werden. Eine Folge davon ist, dass junge Araber nicht mehr wie früher nur von einem Leben im Westen träumen. Vielmehr zieht es viele von ihnen heute in die prosperierenden Golfstaaten, die zwar keine politischen Freiheiten bieten, aber große wirtschaftliche und zunehmend auch gesellschaftliche Freiräume.

Geopolitik I: Der Golf als ideologischer Bruchlinie

Die Arabische Halbinsel ist für uns geopolitisch wie geoökonomisch wichtig. Geopolitisch hat sie Gewicht, weil den Persisch-Arabischen Golf eine der gefährlichsten Gräben der Gegenwart durchzieht. Auf der einen Seite hat sich eine „Achse der Autokraten“ formiert, in der Russland, die China, Nordkorea und die Islamische Republik Iran mit Zerstörung und Krieg die regelbasierte Ordnung aus den Angeln heben wollen. Ihnen gegenüber steht eine prowestliche Allianz mit den USA, Israel, sunnitischen arabischen Staaten und Europa.

Die Gegensätze prallen am Golf aufeinander. Die Islamische Republik Iran findet ihre Legitimation rückwärtsgewandt in der Revolution von 1979 sowie in ihrem „Widerstand“ gegen die Präsenz der USA im Nahen Osten und gegen die Existenz des Staates Israel; Teheran hat die Bereitschaft zu diesem „Widerstand“ auch nach den jüngsten Rückschlägen bekräftigt. In Saudi-Arabien hingegen findet mit der in die Zukunft gewandten „Vision 2030“ ein Wandel statt, mit dem das Königreich eine Neugründung vollzieht. Saudi-Arabien gehört zum Kreis der G20-Staaten, Iran zum Zusammenschluss der BRICS-Staaten unter Chinas Führung. Der Kampf darüber, welchen Regeln die künftige globale Ordnung folgen wird, findet auch am Persisch-Arabischen Golf statt. 

Geopolitik II: Iran eindämmen und Seewege sichern

Aus Furcht vor iranischen Vergeltungsangriffen haben Saudi-Arabien und andere Golfmonarchien  trotz großer ideologischer Differenzen gegenüber Iran eine Détente-Politik eingeleitet. Sie erhoffen sich davon die Sicherheitsgarantien, die ihnen die Vereinigten Staaten (noch) nicht geben wollen. Dieses hedging zwischen den USA und dem Erzfeind Iran verschafft dem Königreich einen Spielraum für Konfliktmanagement und für den Schutz seines Territoriums.

Saudi-Arabien geht es ferner darum, die Passage durch die Nadelöhre wichtiger maritimer Handelsrouten vor Angriffen Irans und von dessen Proxies zu schützen. Infolge der Angriffe der jemenitischen Houthis fahren 70 Prozent weniger Schiffe durch das Rote Meer. Ägyptens Transiteinnahmen aus dem Suezkanal haben sich mehr als halbiert, und ermuntert durch die Houthis sind am Horn von Afrika die Piraten zurück. Zudem droht Iran immer wieder, bei einem Angriff auf sein Territorium die Straße von Hormuz zu schließen, durch die ein Fünftel des weltweiten Verbrauchs von Rohöl und raffinierten Produkten befördert wird.

Geopolitik III: Neben China sind auch Indien und Afrika Partner

Geopolitisch sind die arabischen Golfstaaten auch wegen ihrer ambivalenten Haltung gegenüber Peking relevant. Zwar orientieren sie sich wirtschaftlich nach China. Gleichzeitig erfährt ihre politische, militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Indien, dem Rivalen Chinas in Asien, jedoch bemerkenswerten Auftrieb. Dadurch wachsen Südasien und die Arabische Halbinsel zum geopolitischen Raum Westasien zusammen. Eine Folge ist der im September 2023 angekündigte India Middle East Europe Economic Corridor (IMEC). In dessen Ausbau investieren insbesondere Indien und Abu Dhabi. Mit seiner großen Marine bietet sich Indien den Golfstaaten als neuer Sicherheitspartner an. Politisch, militärisch und wirtschaftlich kooperiert Indien insbesondere mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Israel.

In Afrika treten die führenden Golfstaaten als Alternative zu China auf. In den vergangenen zehn Jahren haben die GCC-Staaten auf dem Kontinent mehr als 100 Milliarden Dollar investiert, das entsprach einem Drittel ihrer Auslandsinvestitionen. Seit 2022 ist das Emirat Abu Dhabi der größte Investor auf dem Kontinent, vor China und den USA. 

Geoökonomie I, Staatsfonds: Hebel für die wirtschaftliche Transformation   

Mit der Lage in der geographischen Mitte der Welt haben die Golfstaaten geopolitische Bedeutung, mit ihren Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds) zudem geoökonomisches Gewicht. Die Staatsfonds symbolisieren den Aufstieg der GCC-Staaten zu global agierenden Wirtschaftsmächten. Die Aktiva der 19 Staatsfonds der sechs Staaten haben sich Ende 2023 auf 4.100 Milliarden Dollar summiert. Das ist das Doppelte ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung. Daher können die Regierungen nur einen Teil der Mittel im Inland investieren. Im Ausland kaufen sie immer weniger Staatsanleihen und investieren stattdessen in Branchen, Unternehmen und Technologien, die für die Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften wichtig sind und die den Übergang in die post-fossile Ära vorantreiben.

Kapital zieht Kapital an. Im Emirat Dubai, so der World’s Wealthiest City Report von 2024, leben 72.5000 Dollar-Millionäre und 15 Milliardäre; seit 2013 ist die Zahl der Millionäre um 80 Prozent gestiegen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind vor allem für Reiche aus dem Globalen Süden ein Magnet. Im Ranking der größten Börsenplätze ist Tadawul, die Börse in Riad, seit 2019 von Platz 25 auf Platz 10 geklettert. In Riad hat sich der King Abdullah Financial District nach Anlaufschwierigkeiten etabliert und wird in den GCC-Staaten lediglich vom Dubai International Finance Center (DIFC) übertroffen. 

Geoökonomie II, Transformation: Vom Erdöl unabhängige moderne Volkswirtschaften 

Die GCC-Staaten sind reich, und sie sind attraktive Wachstumsmärkte. Zielstrebig werden bei der gewaltigen Transformation in moderne Volkswirtschaften, die vom Erdöl unabhängig sind, energieintensive Industriezweige aufgebaut sowie zukunftsweisende Branchen wie Künstliche Intelligenz, Informationstechnologie und Digitalisierung. Dazu brauchen die Golfmonarchien Partner und locken mit günstigen Bedingungen: Energie ist reichlich vorhanden und preiswert, die Steuern sind niedrig, die Staatsfonds stellen Kapital bereit, die Wachstumsmärkte Asiens und Afrikas liegen nahe. Und: Die Golfmonarchien agieren im Einklang der regelbasierten Ordnung.

Damit die Transformation in Gang kommt, schaffen die Staaten Freiräume. Der Umbau der Volkswirtschaft und die Umgestaltung der Gesellschaft sind zwei Seiten einer Medaille. Neue gesellschaftliche Freiheiten brechen alte Strukturen auf, davon profitieren insbesondere Frauen.   

Geoökonomie III, Energie: Von fossilen zu grünen Energieträgern

Die Golfmonarchien sind auch deshalb ein attraktiver Wirtschaftspartner, weil die Klimawende in Europa ohne den Import großer Mengen von grünem Wasserstoff aus den GCC-Staaten zum Scheitern verurteilt wäre. Sie haben auch in der Energiepolitik einen radikalen Kurswechsel eingeleitet. Saudi-Arabien hat das Ziel formuliert, der weltweit größte Wasserstoffproduzent und ein Standort für die Erforschung des Klimawandels zu werden. Was Saudi-Arabien im fossilen Zeitalter war, will es in der grünen Ära bleiben: Ein führender, wenn nicht der führende Lieferant von Energie. Dazu werden die Öl- in Energiekonzerne umgebaut, die in erneuerbare Energien und in die Herstellung von Wasserstoff investieren. Anders als Deutschland, das den Verbrauch fossiler Energieträger einschränkt, zielt die Klimapolitik der GCC-Staaten auf die Reduzierung der Emissionen, ob durch Technologie oder durch die Lagerung von Kohlenstoffdioxid unter der Erde.

Die Energiewende am Golf nützt allen. Sie nützt Deutschland, weil das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 ohne den Import von grüner Energie aus den Golfstaaten nicht erreichbar ist. Sie nützt den Golfstaaten, weil sie für die Weltwirtschaft als Lieferant für Energie unentbehrlich bleiben und einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Denn vom Klimawandel ist lediglich die Antarktis stärker betroffen als die arabische Welt, wo Städte unbewohnbar werden könnten.

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Viele Staaten Europas pflegen enge Beziehungen zu den GCC-Staaten. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat im Dezember drei Tage Saudi-Arabien besucht, Großbritannien und die GCC-Staaten verhandeln seit 2022 über ein Freihandelsabkommen, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unterhält gute persönliche Beziehungen zum saudischen Kronprinzen und zum Staatsoberhaupt der VAE. Die nächste Bundesregierung wäre klug beraten, mit hoher Priorität auf die Golfstaaten zuzugehen, sowohl aus wirtschaftlichem Eigeninteresse als auch wegen der geopolitischen Bedeutung der Region. 

 

 

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